Grenzdaten des Holocaust

Mit der Zeitzeugin Edith Erbrich beim Mahnmal Neckarzimmern

Edith Erbrich und Thomas Altmeyer beim Mahnmal in Neckarzimmern. Foto: Dorothee Roos

Zuerst glaubt man an einen Hörfehler. Edith Erbrich,als Zeitzeugin aus Frankfurt eingeladen an Nicolaus-Kistner-Gymnasium in Mosbach, erzählt, sie sei am 14. Februar 1945 ins Lager Theresienstadt deportiert worden. Februar 1945 - zu dieser Zeit ist das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz schon fast drei Wochen befreit … Doch die Transporte nach Theresienstadt gehen immer noch weiter. Jetzt trifft es die bislang verschonten jüdischen PartnerInnen aus „Mischehen“ und die Kinder, die als „Halbjuden“ gelten. Zu dieser Gruppe gehört Edith Erbrich, geboren 1937. Zusammen mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester und dem Vater kommt sie nach Theresienstadt, die katholische Mutter bleibt in Frankfurt zurück. Vater und Kinder überleben und können nach dem Kriegsende heimkehren.Nüchtern und doch tief beeindruckend berichtet die 86jährige von diesen Erlebnissen. Die SchülerInnen lauschen gebannt – es ist ganz still im Raum.

Am Nachmittag dieses Tages besucht Edith Erbrich zusammen mit Thomas Altmeyer  vom „Lernort Adlerwerke“ in Frankfurt und Dorothee Roos von der KZ-Gedenkstätte Neckarelz das Mahnmal von Neckarzimmern. Es erinnert an die deportierten Juden und Jüdinnen aus Baden, die allesamt an einem einzigen Tag, dem 22. Oktober 1940, ins Internierungslager Gurs in Südwestfrankreich verschleppt wurden. Das war ein besonders frühes Datum für eine Deportation –  symbolisch gesehen trafen hier zwei Grenzdaten des Holocaust aufeinander. Denn Gurs war nur ein Durchgangslager, am Ende stand meist Auschwitz, ähnlich wie in Theresienstadt.

Nun ist es die alte Dame, die ganz still wird. Sie umwandert einmal den großen Davidstern mit den 130 Gedenksteinen aus vielen badischen Städten und Dörfern. So viele Orte, so viele Menschen … Ihr Blick darauf ist ein anderer, als der der meisten, die diesen Ort besuchen. Die Sonne scheint, Vogelstimmen, Vorfrühling. Ein Foto wird gemacht. Edith Erbrichs Schweigen ist auch ein Sprechen – und unbedingt zu achten.