"Grabe, wo du stehst!"
Vortrag von Michael Schmid über die Anfänge der Forschung zu KZ-Komplex Neckarelz
Drangvolle Enge herrschte im Seminarraum der KZ-Gedenkstätte beim Vortrag von Michael Schmid. Zurückgenommen, aber auch mit einer gewissen untergründigen Ironie berichtete der aus Mosbach stammende Verlagskaufmann, wie er Anfang der 80er Jahre zum Thema seiner Zulassungsarbeit im Fach Geschichte kam. In der Gedenkstätte Dachau war er auf einer Karte des KZ-Systems auf die Natzweiler-Außenlager Neckarelz und Neckargerach gestoßen. Von ihnen hatte er bewusst noch nie gehört - doch dann kamen plötzlich Familienerinnerungen hoch.
Schmids Großvater, der von den Nazis abgesetzte Diedesheimer Bürgermeister Arnold, hatte vom Leichenkarren erzählt, auf dem die Toten der Neckarlager zum Friedhof Binau gebracht wurden. Diese Erzählung war in der Familien noch lebendig - und damit der Startpunkt für Schmids akribische und hartnäckige Forschungsarbeit gesetzt. "Grabe, wo du stehst!" - dieses Motto der überall entstehenden Geschichtswerkstätten setzte Schmid für den Elzmündugnsraum um. Seine Quellen waren, neben einschlägigen Archiven und den Akten der "Zentralen Stelle" in Ludwigsburg, drei Zeitzeugen. Diese waren vom KZ-Komplex Neckarelz in der Region gleichsam "übriggeblieben" und berichteten aus unterschiedlichen Perspektiven. Obwohl die Arbeit, vom heutigen Standpunkt betrachtet, bereits eine Staunen erregene Fülle von Ergebnissen brachte, war das Echo gering - in der akademischen Welt wie im realen Leben der Region.
Das änderte sich vier Jahre später: die Hamburger Stiftung für die Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts war auf Schmids Arbeit aufmerksam geworden. Denn er hatte ja, notwendiger Weise, auch zum Rüstungsverlagerungsprojekt "Goldfisch" geforscht. Nach den Jubelfeiern des Jahres 1986 zu "100 Jahre Automobil" setzten die Herausgeber des "Daimler-Benz-Buches" nun im Jahr 1987 einen Gegen-Akzent. Das Buch enthüllte die Verstrickung des Daimler-Konzerns in die Rüstungsindustrie des Drittten Reiches. Das Buch rief einen Skandal hervor - was Michael Schmid veranlasste, zusammen mit Karl-Heinz Roth "Schlüsseldokumente zur Konzerngeschichte" herauszugeben. Diese Quellen bewiesen unwiderleglich, was zuvor als "kommunistische Propaganda" abgetan worden war.
Damit war die Basis weitere Forschungen und Aktivitäten gelegt - die dann ein Jahrzehnt später zur Gründung der KZ-Gedenkstätte Neckarelz führten.