"Erzählen Sie Ihre Geschichte!"

Großes Echo auf Vortrag "Menschen in Baracken"

"Lager Hohl" Neckarelz

Das Lager "Hohl" in Neckarelz im Jahr 1947. Foto: Kurt Heuberger

„Menschen in Baracken – Die Region Neckarelz, Neckarzimmern und Obrigheim als Aufnahmeraum für ‚Fremde‘ 1944 -47 “ – unter dieses Thema hatte Dr. Tobias Markowitsch seinen Vortrag im Rahmen des 1250er-Jubiläums der drei Neckargemeinden gestellt. 150 ZuhörerInnen waren gekommen – fast alle Kinder der "Baracken-Menschen" der späten 40er Jahre.   

Markowitsch wählte als Ausgangspunkt seines Vortrags die kleine ehemalige Krankenbaracke, die heute das größte Ausstellungsstück der KZ-Gedenkstätte Neckarelz darstellt.  1944/45 stand sie im Hof der Grundschule, dort wurden die ansteckend Kranken isoliert. Viele starben dort an Typhus oder anderen Infektionskrankheiten. Ein Jahr später fand die gerade aus Ungarn nach Neckarelz verschleppte 18jährige Anna Hercegfi in dem zur Holzwerkstatt umfunktionierten Häuschen Arbeit: sie fertigte Puppenmöbel aus Holz und verdiente so ihr erstes Geld.

Was für die kleine, nur 6 x 3 Meter messende Holzhütte galt, trifft erst recht auf die großen Unterkunftsbaracken  die im letzten Kriegsjahr für die Untertageprojekte „Goldfisch“ und „Neustadt“ in Neckarelz, Neckarzimmern und Obrigheim errichtet worden waren: Es gibt eine Kontinuität, einen fast nahtlosen Übergang in der Nutzung über das Kriegsende hinaus. Die Baracken boten Wohnraum für viele mehr oder weniger stark zusammengedrängte Menschen – in der Nazizeit für rücksichtslos behandelte und ausgebeutete Arbeiter, unter der amerikanischen Besatzung für Tausende von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Osten, die am Bahnhof Neckarzimmern ankamen. Für letztere suchten die kommunalen Behörden, von denen aus  ein neues, demokratisches Deutschland entstehen sollte, halbwegs menschenwürdige Unterkünfte.  

Markowitsch schlug in seinem Vortrag zunächst einen Bogen vom Lager „Hohl“ in Neckarelz (heute „Hornbach“-Gelände) zu den  Baracken an der Steige und in der Ortsmitte von Neckarzimmern, um schließlich nach dem Sprung über den Neckar beim Barackenlager im Kirstetter Tal in Obrigheim zu landen. Zahlreiche Zitate von Zeitzeugen rückten die Verhältnisse lebendig vor Augen. Die Baracken wurden in viel Eigenarbeit  wohnlicher gestaltet, Gärtchen angelegt und vieles mehr - ein dörfliches Gemeinschaftsgefühl entwickelte sich. Langsam gelang es auch, die anfängliche Ausgrenzung zu überwinden.

Am Ende des Vortrags lud Markowitsch die Anwesenden ein „Erzählen Sie Ihre Geschichte!“ – Was sich ein gute Handvoll nicht zweimal sagen ließ. Es waren berührende Geschichten vom langsamen Ankommen und Heimisch-Werden der vormals „Fremden“.