Gedenken und vergleichen

Starke Eindrücke von den KZ-Gedenkstätten Sandhofen und Walldorf

KZ-Gedenkstätte Mörfelden-Walldorf: ausgegrabene Reste der Küchenbaracke des ehemaligen Lagers

„Zur ältesten und jüngsten Gedenkstätte eines Natzweiler-Außenlagers“ – unter dieser Überschrift hatte der Verein KZ-Gedenkstätte Neckarelz für den 25. Juni 2017 zu einer Exkursion  eingeladen. Darin steckt schon ein Vergleich. Wie unterschiedlich Gedenkstätten -  bei vielen Gemeinsamkeiten – sein können, das zeigten für das gute Dutzend der Interessierten die starken Eindrücke dieses Tages.
Schon die Orte sind sehr verschieden. Das KZ Sandhofen wurde im September 1944 der Grundschule des 1928 eingemeindeten, ländlich geprägten  Mannheimer Ortsteils Sandhofen eingerichtet. Die 1070 Häftlinge waren  praktisch ausschließlich  Polen, Teilnehmer des Warschauer Aufstandes, also gerade erst verhaftet worden. (Zur Geschichte der hierzulande fast unbekannten Erhebung der Warschauer Bevölkerung im Sommer 1944 bitte hier klicken). Sie wurden von Daimler-Benz-Mitarbeitern direkt im KZ Dachau für die Arbeit im Mannheimer Benz-Lastwagenwerk ausgesucht – und waren schon drei Monate später wegen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen am Ende ihrer Kräfte. Hilfreich für sie war indes die Tatsache, dass viele sich aus dem Warschauer Widerstand kannten;  Solidarität schien hier eher möglich als in anderen Lagern.
Während die Mannheimer Gefangenen in einem festen Haus mitten im Wohngebiet untergebracht waren, mussten die 1700 Häftlingsfrauen in Mörfelden-Walldorf  in Holzbaracken im Rande des Städtchens hausen. Täglich marschierten die Frauen, allesamt ungarische Jüdinnen, aus dem im August 1944 eingerichteten Natzweiler-Außenlager Walldorf zum (damals militärisch genutzten) Frankfurter Flughafen, um dort Landebahnen zu betonieren. Nach drei Monaten wurde das Lager bereits aufgelöst, die Frauen ins Lager Ravensbrück und noch weiterhin verlegt. Nur 350 von ihnen erlebten das Kriegsende.
An beiden Orten herrschte nach dem Krieg das übliche Schweigen. Während es in Mannheim-Sandhofen in den 80er Jahren darum ging, den „weißen Fleck“ in der Geschichte des Schulgebäudes zu schließen und die Gedenkstätte im Kellergeschoss der Schule schließlich 1990 durchzusetzen - gegen den zunächst starken Widerstand von Bevölkerung und Behörden - , gab es in Walldorf praktisch überhaupt keine materiellen Spuren mehr. Die Baracken waren beseitigt, über das Lagergelände ein Wald gewachsen. Die Erinnerungsarbeit begann früh, bereits in den 70er Jahren – und doch dauerte es bis zum Ende des Jahrhunderts, bis durch fast wundersam erscheinende Begegnungen mit Zeitzeuginnen (darunter Margit Horváth) die Geschichte aus vielen Puzzleteilen zusammengesetzt werden konnte. Ein Gedenkpfad entstand im Wald.
Daneben liefen Grabungsarbeiten mit Jugendlichen aus der Region, die überhaupt stark in die Arbeit am Gedenkstättenprojekt einbezogen waren. Das ausgegrabene Kellergeschoss der Küchenbaracke wird seit September 2016 durch ein beeindruckendes Gebäude vor Witterungseinflüssen geschützt. Das gläserne Haus mit dem schrägen Dach, welches den „aufgeklappten“ Waldboden und einen mühsam errungenen „Durchblick“ symbolisiert, dient nun auch der pädagogischen Arbeit zu den Themen Rassismus, Ausgrenzung, Toleranz und Demokratie.  
Auch in Mannheim ist die Erinnerungsarbeit am Lernort Gedenkstätte durch die Kooperation mit dem  „Netzwerk für Demokratie und Courage“ auf Probleme der Gegenwart bezogen. Beide Gedenkstätten haben hoch engagierte hauptamtliche MitarbeiterInnen als Kern, setzen aber auch genau so stark auf ehrenamtliche Arbeit.
Die KZ-Gedenkstätten der ehemaligen Natzweiler-Außenlager haben sich zu einem Netzwerk (Verbund der Gedenkstätten im ehemaligen KZ-Komplex Natzweiler  -  VGKN) zusammengeschlossen. Wie wichtig und spannend Begegnung und Austausch sind, hat dieser Tag gezeigt.