Ranghöchste Nazi-Frau - und doch eine Unbekannte ...

Großes Interesse am Vortrag über "Reichsfrauenführerin" Gertrud Scholtz-Klink

Dr. Christiane Berger, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Landtags von Sachsen-Anhalt, bei ihrem Vortrag

Die meisten hatten den Namen zuvor noch nie gehört. Doch gerade das lockte mehr als 60 Zuhörerinnen am 1. Oktober 2017 in die KZ-Gedenkstätte Neckarelz, zum Vortrag über Gertrud Scholtz-Klink. Diese war gut elf Jahre lang ranghöchste Frau der NSDAP, von Hitler persönlich zum einzigen weiblichen "Amtsleiter" ernannt und mit dem Titel "Reichsfrauenführerin" ausgestattet. Viele konnten nicht fassen, dass Scholtz-Klink zwar in Mosbach zur Schule gegangen ist, ihre Karriere und ihr Wirken hierzulande kaum je öffentlich zur Sprache kamen.  
Diese Lücke füllte Dr. Christiane Berger aus Magdeburg, die 2005 eine Doktorarbeit über Scholtz-Klink geschrieben hat. Die Referentin zeichnete zunächst den Aufstieg Scholltz-Klinks nach, deren Karriere entscheidend vom badischen Gauleiter Robert Wagner gefördert wurde. Dieser brachte sie nach Berlin, wo Hitler ihr Talent erkannte, mit eher vagen, aber schönklingenden Formulierungen ein Publikum für sich einzunehmen. Scholtz-Klink "verkaufte" die jeweils herrschende Spielart der NS-Ideologie zur Frauenfrage, die zwischen 1933 und 1945 durchaus Änderungen durchlief. 
So sollten die Frauen in den 30er Jahren an den Herd zurück, mit Beginn des Krieges dann die an den Fronten kämpfenden Männer in den Fabriken ersetzen. Immer jedoch sollten sie viele Kinder gebären, so weit sie "deutschen Blutes" waren. Nach Christiane Berger war Scholtz-Klink keine Ideologin mit eigenen Ideen - und konnte gerade deshalb die geforderte gehorsame Unterordnung der Frauen und ihren jeweiligen "Dienst" an der Volksgemeinschaft besonders überzeugend verkörpern. Auch die eigene Patchwork-Familie mit 11 Kindern (darunter 5 eigene) aus drei Ehen setzte sie gekonnt in Szene. 
Daneben sorgte sie für die Gleichschaltung der Frauenverbände und neutralisierte auch Ansprüche und Widerstände, die ihr aus proletarischen, bildungsbürgerlichen oder kirchlichen Kreisen entgegenkamen - eher durch Vereinnahmung als durch offene Auseinandersetzung.
Damit sorgte sie für Ruhe an der "Heimatfront" und schuf die scheinbar harmonische Fassade für eine Welt, deren andere Seite von Terror und Tod bestimmt war. Die Referentin schilderte, dass Scholtz-Klink auch nach dem Krieg sich niemals irgendeiner Schuld oder Verantwortung bewusst gewesen sei, ihr Redestil änderte sich kaum während ihres langen Lebens. Außer einer kurzen Haft wegen Passvergehens konnte sich die ranghöchste Nazifrau einer Bestrafung weitgehend entziehen; sie lebte zurückgezogen bis 1999 bei Tübingen.