Brüderlichkeit - keine leichte Kunst ...

Doppelte Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Neckarelz

Der Künstler Harald Gruber erklärt das französisch-deutsche Bild bei der Ausstellungseröffnung am 23. September 2018. Foto: Frank Heuß

Das Bild an der Fassade der Gedenkstätte ist ein echter Hingucker: in strahlenden Farben zeigen sich dort, befestigt an einer Brücke, ein Smartphone und ein Tablet. Sie deuten darauf hin, dass hier zwei ganz verschiedene Künstler in Verbindung getreten sind: Bernard Latuner (Mulhouse) und Harald Gruber (Karlsruhe/Dessau). Die beiden haben sich auf dieses Motiv geeinigt, im Rahmen des großen deutsch-französischen Kunstprojekts "Fraternité/Brüderlichkeit". Es wurde vom Verbund der Gedenkstätten im ehemaligen KZ-Komplex Natzweiler, dem Centre Européen du Résistant Déporté beim ehemaligen Hauptlager Natzweiler sowie den Künstlergruppen PlakatWandKunst (Karlsruhe) und Quinz'Art (Strasbourg) mithilfe zahlreicher Förderer organisiert. 
32 französische und deutsche Künstlerinnen haben im April 2018 in gemischten Duos 16 großformatige Gemälde auf Holzplatten gemalt. Die Bilder waren zunächst gemeinsam in Natzweiler und in Stuttgart ausgestellt. Im Herbst 2018 wanderten 14 Gemälde zu 14 Außenlager-Gedenkstätten in beiden Ländern, wo sie im Freien, im öffentli­chen Raum, ausgestellt sind. Sie machen auf ungewöhnliche Weise das Netzwerk des KZ-Komplexes Natzweiler sichtbar und laden zur Diskussion ein. 
In Neckarelz erklärte Harald Gruber bei der Eröffnung am 23. September 2018 die Symbolik des Bildes: im Smartphone sieht man mit der Eiche und den Lilien deutsch-französische Symbolpflanzen, dazu ein Labyrinth, das zeigt, dass die Brüderlichkeit beider Nationen nicht immer eine leichte Kunst war oder ist. Das Tablet hingegen zeigt den Plan eines idealen Gartens, einer Welt in Harmonie und Gleichgewicht, die anzustreben und zu verwirklichen wäre.
Beim pädagogischen Teil des Projekts, das unter dem Motto "Was bleibt?" stand, erarbeite Harald Gruber mit der damaligen Klasse 10 d des Ganztagesgymnasiums Osterburken eine Serie von eindrucksvollen Gemälden, die alle genau einen Quadratmeter groß sind. Sie stellen dar, was die Schülerinnen nach einem Besuch der Gedenkstätte "mitgenommen" haben, als Erinnerung oder inneres Bild.
Dorothee Roos, die Vorsitzende des Trägervereins, verknüpfte die beiden Kunstprojekte mit der Person des ehemaligen Häftlings Jacques Barrau, der im Lager heimlich den Alltag in Zeichnungen festhielt. In seinem späteren Leben als Biologe und Agrarwissenschaftler liebte auch er die Idee des Gartens als Inbild von Vielfalt und Buntheit, die zur schrecklich eintönigen Welt des Lagers ein Gegen-Bild darstellt.